Digitales Arbeiten 4.0 – AG ZWK gibt Impulse
Das GroKo-Sondierungspapier sprach davon, dass man „mit einem neuen Rahmen den vielfältigen Wünschen und Anforderungen in der Arbeitszeitgestaltung gerecht werden“ will. Jetzt muss dieser Rahmen in den Koalitionsverhandlungen skizziert werden. Im Klartext geht es um die Einrichtung von Zeitwertkonten..
Zum Meinungsaustausch und zur fachlichen Beratung fand am 6. November 2017 in Berlin eine hochkarätige Expertengruppe statt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kay Whittaker (Wahlkreis Rastatt) und die diz Deutsches Institut für Zeitwertkonten und Pensionslösungen AG hatten dazu eingeladen. Mit am Tisch saßen u.a. Spitzenvertreter der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften. Die AG ZWK wurde von der stellv. Vorstandsvorsitzenden Kristin Eckmann und Sven Beste vertreten. Zeitgleich hatten sich die Jamaika-Sondierer darauf geeinigt, eine Zeitwertkonten-Reform auf ihre Koalitionsagenda zu setzen.
Zeitwertkonten-Reform auf Koalitionsagenda
Neben einer Änderung der Arbeitszeitordnung stehen die Gesetze „zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen“ („Flexi I-Gesetz 1998; Flexi II-Gesetz 2009) in der Diskussion. Im Klartext geht es um die Einrichtung von Zeitwertkonten. Viele Großunternehmen machen von diesem Instrument bereits Gebrauch, um den Interessen der Beschäftigten bei Mehrarbeitsbedarf und im Zuge der Digitalisierung von Arbeitsprozessen gerecht zu werden. Im Mittelstand sind Zeitwertkonten jedoch noch kaum verbreitet. Ein junger CDU-Abgeordneter will dies jetzt ändern.
Zeitwertkonten – Grund des deutschen Wirtschaftserfolgs
Viele Unternehmen führen Kurzzeitkonten, um Plus- und Minusstunden der Mitarbeiter innerhalb eines Monats oder zumindest innerhalb eines Jahres auszugleichen. Ein Zeitwertkonto dient nicht dem Ausgleich kurzfristiger Auslastungsschwankungen. Der Sinn ist, dass Mitarbeiter ihre Mehrarbeitsstunden oder Resturlaub in „echtes Geld“ verwandeln und langfristig wieder in „mehr Zeit“ zurücktauschen können. Das ist einmalig in Europa und – zusammen mit weiteren Möglichkeiten für zeitflexibles Arbeiten – laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung der eigentliche Grund des deutschen Wirtschaftserfolgs seit der Finanzkrise 2008. Die Einbringung von Zeit als Wert kann durch vielfältige Sonderzahlungen bis hin zu freiwilligen Zuschüssen des Arbeitgebers ergänzt werden. Der eingezahlte Lohn gilt als „nicht zugeflossen“ und ist bis zu seiner späteren zweckbestimmten Ver-wendung von Steuern und Sozialbeiträgen befreit. Ähnlich wie in der betrieblichen Altersversorgung führt dies zu deutlich „mehr netto von brutto“.
Verzahnung von Zeitwertkonto und Betriebsrente
Die Wertguthaben können flexibel für befristete Auszeiten („Sabbaticals“, z.B. längere Elternzeit) oder zur Überbrückung von Einkommenslücken (Altersteilzeit, Vorruhestand) bis zum Renteneintrittsalter genutzt werden. Letzteres ist bisher die häufigste Verwendungsart. Die sozialversicherungsfreie Übertragung von Wertguthaben zur Aufstockung von Betriebsrenten ab dem Rentenalter ist hingegen mit dem Flexi II-Gesetz 2009 nur noch steuerlich begünstigt. Planmäßig können nur bis zum 13.11.2008 in Zeitwertkonten eingezahlte Beiträge für höhere Betriebsrenten genutzt werden.
Eine Ausnahme besteht, wenn das Wertguthaben vor Beginn des Rentenalters aus unerwarteten Gründen nicht genutzt werden konnte. Dies hat das Interesse an Zeitwertkonten gedämpft. Die Experten waren sich einig, dass es künftig wieder eine eindeutige Verzahnungsmöglichkeit mit SV-befreiten Überträgen vom Zeitwertkonto in die Betriebsrente geben sollte.
Stärkere Verbreitung von Zeitwertkonten – Reformstichpunkte
Die Ausgestaltungs- und Verwendungsmöglichkeiten von Zeitwertkontenmodellen sind ansonsten vielfältig. Regeln und Zwecke müssen allerdings von Anfang an schriftlich und klar festgelegt sein.
Laut Gesetz muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme das eingezahlte Kapital gesichert ist. Das kann in der Praxis bei kurzen Ansparzeiten problematisch sein und beeinträchtigt insbesondere die zwischenzeitliche Nutzung der Konten wie etwa zum Zweck der betrieblichen Weiterbildung oder für Sabbaticals. Daher empfiehlt sich eine Lockerung dieser Regelung.
Mittelständischen Unternehmen wird die Einführung von Zeitwertkonten durch komplizierte steuer- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen erschwert. Arbeitnehmer klagen, dass sie ihr Konto bei Arbeitgeberwechsel oft nicht übertragen können: Bietet der neue Arbeitgeber kein Zeitwertkonto an, kann man das Guthaben zwar bei der Deutschen Rentenversicherung „parken“. Ist dieses jedoch kleiner als 18.270 € (alte Länder) bzw. 16.170 € (neue Länder), wird es dort aktuell nicht angenommen. Das Konto muss aufgelöst, nachversteuert und verbeitragt werden.
Grundsätzlich zu klären bleibt die Frage, ob auch Geschäftsführer ein Zeitwertkonto führen dürfen. Bisher bewerten Finanzverwaltung und Gerichte dies als verdeckte Gewinnausschüttung und fordern die unmittelbare Lohnversteuerung der eingezahlten Beträge. Dikutiert wurde die Abschaffung dieser Einschränkung. Damit bekämen auch die Organe eines Unternehmens ein unmittelbares Eigeninteresse an der Einführung von Zeitwertkonten.
Eine Liste mit den wichtigsten Reformstichpunkten aus der Expertendiskussion hat Kay Whittaker seinen Abgeordnetenkollegen an die Hand gegeben. Jetzt hofft er auf Entgegenkommen der SPD. Immerhin hat auch SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles in ihrem Weißbuch „Arbeiten 4.0“ eine stärkere Verbreitung von Zeitwertkonten gefordert.
Über die AG ZWK
Die AGZWK ist ein von politischen und wirtschaftlichen Interessen unabhängiger Fachverband. Ihr Zweck ist die Förderung und Verbreitung von Zeitwertkonten als innovatives Instrument der Personalarbeit und für Arbeitnehmer wichtiges Element der Lebensarbeitszeitgestaltung.
Als eingetragener, 2006 gegründeter Verein hat die AG ZWK heute mehr als 100 Mitglieder, darunter Personalverantwortliche großer Unternehmen mit langjährig bestehenden Lebensarbeitszeitmodellen, Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden wie auch renommierter Beratungsgesellschaften im Bereich der Vergütungs- und Vorsorgegestaltung.
Die AG ZWK unterstützt alle fachlichen Bestrebungen zur Implementierung von Zeitwertkonten, insbesondere in Gestalt sog. Zeitwertkonten-Modelle. Sie wirkt mit bei der sozialpolitischen, arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Ausgestaltung dieser Modelle. Die Mitwirkung erfolgt durch die Aufklärung und Information von Unternehmen, Verbänden und der Öffentlichkeit, den Meinungsaustausch mit und die fachliche Beratung von Organen der Legislative, Behörden, Ministerien und Verbänden, die Veranstaltung von Seminaren und Tagungen zur Information, Weiter- und Fortbildung sowie die regelmäßige Herausgabe von Publikationen.
Tragende Säulen der Verbandsarbeit sind Fachausschüsse zu den Themenfeldern Arbeits-, Sozial- und Insolvenzrecht, Administration, Steuer- und Bilanzrecht sowie Kapitalanlage.
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